Vom Toelleturm bis weit in den Vorwerk Park: 5. Literarischer Wandertag in Wuppertal-Barmen

Veröffentlicht von Kay Ganahl am 12. September 2019 in Literarische Aktivitäten

Die Texte waren geschrieben. Es gab acht Zusagen zur Mitwirkung als Autorin oder Autor an diesem vielversprechenden Tag. »Wir nehmen uns Zeit!« war für die AutorInnen das literarische Motto. Zeit hat als allgemeines, frei verfügbares Gut zu gelten, an welches jeder Mensch gelangen kann. Er soll sie sich ja eben auch nehmen. Dies ermöglicht erst die Entwicklungsfreiheit des Einzelnen, der sein Leben gestalten kann! Gerade die Kreativen, auch die AutorInnen lieben es, Zeit als etwas frei Verfügbares wahrzunehmen. So ist Zeit gezielt für die Literatur kreativ einzusetzen.

Gegen 15 Uhr am 1. September 2019 traf man sich beim Wuppertaler Toelleturm, von welchem aus die Barmer Anlagen und der Vorwerk Park überblickt werden können.

Die Autorinnen und Autoren, acht an der Zahl? Acht! Unsere Wuppertaler Gastautorin Martina Sprenger war leicht verspätet herbeigeeilt. Schon hatten sich Gespräche entzündet, Bekannte trafen auf Unbekannte. Es begrüßten sich eben auch einander bestens bekannte »Schreiber« – nicht nur um in der Gruppe literarisch zu wandern, sondern um sich wieder zu sehen, zu reden, zusammen zu sein! Großes Staunen: Recht viele Gäste, auch und gerade neue Gesichter, gesellten sich hinzu.

Das Bergische Land bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten spazieren zu gehen, auch zu wandern. Schon allein deshalb, weil es viele Gefällestrecken gibt – Straßen, zudem Wanderwege für den geübten oder weniger geübten Wanderer. Das sollte für uns hinsichtlich Barmer Anlagen und Vorwerk Park gewissermaßen Programm sein. Zunächst wurde allerdings dem Toelleturm, einem beeindruckenden Aussichtsturm direkt vor den Barmer Anlagen, Reverenz erwiesen. Er ist an sich schon einen Besuch wert.

Kay Ganahl, Organisator des Literarischen Wandertages, begrüßte alle Mitwanderer, die sich nun um ihn herum sammelten, mit einer längeren Ansprache, in der er das Konzept dieses Tages erläuterte. Er blickte dann den Toelleturm an, blickte schließlich mit ein wenig Sorge gen Himmel. Doch durfte er erfreut feststellen: Alles gut! Hier und jetzt nichts Böses von oben zu erwarten. Es zeigte sich stabiles, späterhin sogar »literarisches Idealwetter«. Natürlich darf der vorlesende Autor in der Natur nicht von Regengüssen heimgesucht werden. Dies würde dem Ganzen einen Abbruch tun.

Christiane Trunk, eine Autorin der Solinger Autorenrunde, hatte leider aus Gesundheitsgründen ihre Teilnahme abgesagt, weshalb vor Ort ein wenig zu improvisieren war. Deshalb konnten die anderen hier schon »loslegen«. Ganahl trug sein Gedicht »Nutze die Zeit!« vor. Dann lasen Martina Hörle (Autorin und Journalistin, Initiatorin der Solinger Autorenrunde und eines ihrer engagiertesten Mitglieder) sowie Martina Sprenger, die zum dritten Mal beim Wandertag dabei war, kürzere literarische Beiträge vor, so dass der 5. Literarische Wandertag einen schönen Beginn fand.

Der für diesen Nachmittag engagierte Liedermacher Michael Völkel aus Herne, dessen Lieblingsmusiker Hannes Wader ist, trug alsdann ein sozialkritisches Lied vor, welches den Zuhörern sicher noch länger im Ohr blieb. Völkel sollte von nun an nach jedem Literaturbeitrag ein Lied zum Besten geben. Ohne Übertreibung: Ein Könner darin, Menschen sinnreich zu unterhalten. Wortwitz und fröhlich-selbstironische Selbstdarstellung beeindruckten – besonders in seinen Zwischenkommentaren und Ankündigungen! Er wusste mit seinem Publikum zu interagieren.

Die Barmer Anlagen sind, kein Zweifel, eine Wanderung wert. Allerdings waren sie an diesem Tag – erst vorbei an der »Eis Creme-Bude«, die schon eine gewisse Berühmtheit erlangt hat – eben nur der kürzere Teil der Wanderroute, um dann auf die Höhen des Vorwerk Parks zu gelangen, von denen aus es bald bergab gehen sollte … von Literaturpunkt zu Literaturpunkt.

Mit zahlreichen Gästen wanderten wir locker, bisweilen in Gespräche vertieft, durch den Vorwerk Park, welcher mit seinen Aufs und Abs eine kleine Herausforderung an den Gehapparat darstellt, die aber alle meisterten. Dieser weitläufige, traumhaft schöne Park wurde von der bekannten Industriellenfamilie angelegt und nach ihr benannt. Er ist ein Landschaftspark im Wuppertaler Stadtteil Barmen, Ortsteil Lichtenplatz. Ja, Natur und Kultur fanden an diesem ersten Septembertag des Jahres zwischen 15 und 18 Uhr zusammen.

Martina Hörle bewies an Literaturpunkt 2, vor dem Adolph Werth-Denkmal in den Barmer Anlagen, wie stark ihre Präsenz ist, wenn sie mit Gelassenheit und Ruhe einen literarischen Text vorliest. Es sammelten sich Gäste und AutorInnen und lauschten andächtig. Über einen kurzen Verbindungspfad gelangten wir schließlich, entlang des in Sanierung befindlichen Park-Laubengangs, auf die Höhen des Vorwerk Parks: offene Rasenflächen, Kieselwege, Sitzbänke hie und da … , wo Andreas Erdmann, Journalist und Autor aus Solingen, seine »Reise nach Ea« als Mitglied der Solinger Autorenrunde las. Dieses Mal noch ausdrucksvoller! In seine Stimme legte er ein besonders dunkles Gewicht. Als er das Ende der Geschichte erreichte, in dieser ein Donnergrollen anhob, blinzelte gleichzeitig durch das Wolkengebälk freundlich die Sonne.

Dr. Manfred Luckas aus Köln, Landesvorsitzender des Freien Deutschen Autorenverbandes in Nordrhein-Westfalen, ein wahrer Freund der Literatur, wenngleich er sich selbst »bloß« als Sachbuchautor bezeichnete, las vor einer pitorresken Kulisse des Parkgrüns seinen klugen, unterhaltsamen Prosatext. Hinter ihm fiel der Berg steil ab. Wie so oft an diesem Nachmittag klickten Verschlüsse der Fotoapparate.

Der anschließende Abstieg in Richtung Murmelbach, der sich durch den ganzen Vorwerk Park schlängelt, gelang allen, sodass es beim idyllisch gelegenen Teich an Annette Oppenlander war, nach dreißig Jahren USA-Ansässigkeit zurück in der alten Heimat Solingen, einen historischen Romanauszug dem geneigten Publikum und den AutorenkollegInnen zu präsentieren. Applaus.

Das Publikum war an diesem Nachmittag sehr interessiert, freundlich und wanderlustig – die Stimmung war stets bestens. Petra Lötschert aus Düsseldorf, die neben ihrer Autorentätigkeit noch in Koblenz einen Kultursalon betreibt, hob nach kurzem Weg bis vor den »Hängebaum« zu einem lyrischen Intermezzo an, was die Zuhörer aufhorchen ließ. Stille. Mit beispielloser Intensität trug sie ihre lyrischen Werke vor. »Wir nehmen uns Zeit!«? Für all unsere Beiträge von hoher Qualität bestimmt!

Kay Ganahls schriftstellerischer Beitrag an diesem Nachmittag war inhaltlich ganz vom Kernthema Zeit durchdrungen. Statt in eher abstrakten Gedankengängen zu wandeln, erzählte er vor dem literarischen Punkt »Eulenbaum«, auch nicht weit vom Teich entfernt, eine gut nachvollziehbare fantasievolle Geschichte. Musikus Michael Völkel verzichtete nur an diesem Punkt auf den Musikbeitrag. Es sollten aber noch mehr kommen … !

Müde oder gar gelangweilt? Keine Spur. Alle zogen Kay Ganahl, der die VorleserInnen vor jedem Literaturpunkt ankündigte, hinterdrein. Es galt nun, die beiden letzten geplanten Punkte zu erreichen. Jede Autorin, jeder Autor hatte im Vorfeld des Literarischen Wandertags Informationen erhalten – nämlich wer wo lesen kann. Jeder hatte ein Foto »seines« bzw. »ihres« Literaturpunktes per Mail erhalten. Ein solches Vorgehen bedeutet immer Handlungssicherheit während der Wanderung. Es herrscht aber insgesamt viel Freiheit vor: Kein Autorentext wird vor einem Literarischen Wandertag »abgesegnet«. Alle, Gäste wie Mitwirkende, so auch der Organisator, können sich überraschen lassen. Manchmal wird – aber nicht an diesem Tag – aus verschiedensten Gründen von der festgelegten Route abgewichen. Diese Route weiß keiner von Gästen und Mitwirkenden, bloß der Organisator. So entsteht während einer Wanderung immer eine gewisse Spannung. Geht es hier entlang – oder dort?!

Elke Seifert, die in Düsseldorf auch einen Literatursalon (»ElkesArt Salon«) betreibt, war am »gestürzten Zauberbaum« an der Reihe. Sie, die sehr gern Märchen schreibt und diese immer wieder einer Öffentlichkeit vorliest, suchte sich ganz in Ruhe ihre Position am Baum aus. So mancher der Gäste schien etwas erstaunt zu sein, dass hier ein Literaturpunkt war. Elke Seiferts Märchen rührte die Menschen sichtlich an.

Manche Gäste hielten diesen Literaturpunkt schon für den letzten. Sie waren wohl an diesem Nachmittag immer wieder leicht überrascht worden, wie weit es ging. Die letzte Lesung sollte dann doch erfolgen, an einem weiteren Teich. Martina Sprenger aus Wuppertal, die schon zu Anfang des Wandertages kurz nach 15 Uhr gelesen hatte, konnte ihren Haupttext darbieten. Sie stellte sich nicht weit vom Seeufer entfernt auf, um mit großer Vehemenz vorzulesen. Aber auch dies war nicht wirklich der letzte Beitrag, sondern Musikus Michael Völkel, seines Zeichens auch schriftstellerisch tätig, las aus seinem neuen Unterhaltungsroman.

Viel zu sehen, viel zu hören! So einige Menschen hatten sich für die Kultur in der Natur durchaus genügend Zeit genommen. Kay Ganahl bedankte sich gestenreich bei den Mitwirkenden und Gästen. Die Gruppe zerstreute sich. Einige trafen sich noch in einer Gaststätte beim Toelleturm, um sich ein wenig auszuruhen und den Abend bei einem erfrischenden Getränk und angenehmem Gespräch ausklingen zu lassen.

Photos vom 5. Literarischen Wandertag (zum Vergrößern klicken)

Photos »Andreas Erdmann« & »Kay Ganahl« © Martina Hörle 2019
Photo »Manfred Luckas« © Kay Ganahl 2019
Photos »Michael Völkel« & »Petra Lötschert« © Andreas Erdmann 2019

---------------