Ich werde nie ein Fisch sein

Veröffentlicht von Dr. Manfred Luckas am 28. Januar 2024 in Rezensionen

Die Dichterin und Übersetzerin Ana Pepelnik hat 2007 ihren ersten Gedichtband veröffentlicht und zählt seither zu den wichtigsten Stimmen der slowenischen Gegenwartsliteratur. Dass Slowenien Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2023 war, hat sie endlich auch einer Leser:innenschaft hierzulande näher gebracht. Möglich gemacht hat das, wieder einmal, vor allem die Kölner parasitenpresse und ihr Verleger Adrian Kasnitz. Dank ihnen liegt nun eine schlanke, aber inhaltlich stimmige und aussagekräftige Auswahl der Gedichte Pepelniks in deutscher Sprache vor.

Besonders spannend und ambitioniert ist dabei der duale Übersetzungsmodus. Sind Amalija Macek und Matthias Göritz in ihrer Arbeit näher am Original, schlagen das Tandem Adrian Kasnitz und Thomas Podhostnik bewusst den Weg der Nach- und Neudichtung ein. So ist nicht nur den sinistren Sprachspielen Pepelniks angemessen beizukommen, mir gefällt auch der Verzicht auf das Apodiktische, den Gestus der letzten Gewissheit, ist doch jede Übertragung immer auch diskutable Interpretation eines widerständigen Originals. Darüber hinaus stellt das Slowenische in seiner Komplexität, dialektalen Vielfalt und Aussprache eine echte Herausforderung dar. Nicht umsonst heißt es in einem dortigen Sprichwort: »Jede Straße hat ihren eigenen Dialekt.« Und da sehen und hören dann acht Augen und Ohren definitiv mehr als zwei …

Pepelniks Lyrik ist keine genehme Kost für Couch Potatoes, hier wird auch »nicht über vegan nicht über lakto-ovo-paleo bullshit« parliert. Hier wird geschrien, gelebt, geliebt, gelitten – ein Südosteuropa-Techno-Sittengemälde, gezeichnet mit harten Strichen:

was ist techno für mich. für mich ist techno die welt. herz.
urgrund. urgeschichte. als alles nur ein einziges
großes herzschlagen war. und wenn techno schlägt schlägt auch
mein herz.

Ihre Lyrik unterläuft aber auch immer wieder das neusachliche Klischee des Glotzt nicht so romantisch, oft sind die Texte Momentaufnahmen einer großen Sehnsucht, voller Schmerz über den Verlust geliebter Menschen. Das kommt dann mal schnoddrig und sinnlich, mal verhalten und vital oder hermetisch und verletzlich daher, stets jedoch als ein variabler Möglichkeitsraum poetisch verdichteter Privatmythologien. Die Diktion erinnert zuweilen an die expressionistische Verve der Menschheitsdämmerung. In einem längeren, sprachlich ausgearbeiteten Gedicht wie »Über die kleine Straße« klingt die Bildlichkeit eines Georg Heym an, in »Da sind keine« die Kargheit und zerschnittene Semantik der Weltkriegsgedichte August Stramms, in denen noch 2024, in seinem 150. Geburtsjahr, das Fremde und der Schrecken hausen – Ana Pepelnik als »nicht fisch« sicher bestens vertraut.

ich sehe das wasser an
das wasser blickt zurück
ich gehe ins wasser
das wasser schwappt über mich
es fließt in nase
ohren mund es fließt in den hals
aber ich
bin nicht fisch du bist nicht fisch
ich werde nie ein fisch sein

Resümee: Starke Gedichte mit poetischen Widerhaken, die viele Stimmen zum Klingen bringen. Ana Pepelnik ist eine zeitgemäße Vertreterin des Literaturlandes Slowenien.

Ana Pepelnik: nicht fisch. Gedichte aus dem Slowenischen von Amalija Maček, Matthias Göritz, Adrian Kasnitz und Thomas Podhostnik. 58 Seiten, 12 €, parasitenpresse, Köln 2023.

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