Premiere von »Lebensnähe/Todesnähe«: Literarische Lesung und Vernissage der Wanderausstellung im SWANE
Mit dem Solinger Musiker Bernd Möller und meiner Schwester fuhr ich mittags zum Wuppertaler Design-Café SWANE, welches im beschaulichen Luisenviertel liegt, wo alle möglichen Formen der Kultur ein Zuhause haben. Gerade auch im SWANE finden kulturelle Veranstaltungen statt, – an diesem Sonntag, den 4. März 2018 war es »Lebensnähe/Todesnähe: Vernissage mit literarischer Lesung«, die ich für den FDA/NRW organisierte.
Seit etwa einem Jahr engagiere ich mich als Autor, Künstler und Organisator in dem Teamprojekt »Lebensnähe/Todesnähe« unseres FDA Landesverbandes NRW zusammen mit Halina M. Sega, Angelika Stephan, Dagmar Weck und Ute Mrozinski dafür, dass es zum spannungsreichen Thema intellektuellen und kreativen Austausch gibt. Und dass originelle, authentische, aussagekräftige Werke geschaffen werden, aber darüber hinaus eben auch Veranstaltungen stattfinden, auf denen die Arbeitsergebnisse des Teams vorgestellt werden und Öffentlichkeitswirkung entfalten können. Die Veranstaltung vom 4. März, Beginn 13.30 Uhr war die erste in einer Reihe von geplanten Bilderausstellungen mit literarischer Lesung.
Wir kamen beim SWANE an und dort waren meine Kolleginnen schon versammelt: Erst die literarische Lesung, dann die Vernissage in der Wintergarten-Galerie nebenan, wo wir am Vortag unsere Bildwerke aufgehängt hatten! Alsbald stellte ich auf der Bühne im SWANE unser Team und das Projektkonzept dem Publikum vor, um dann auch schon auf die bevorstehende literarische Lesung und die anschließende Vernissage thematisch, inhaltlich und konzeptionell hinzuweisen.
Der Landesverband NRW ist dafür bekannt, dass Autorinnen und Autoren nicht nur als »Schreiber« tätig sind, sondern sich auch in der bildenden Kunst aktiv zeigen. Die Teammitglieder von »Lebensnähe/Todesnähe« gehören dazu. Demgemäß drängte sich, als es darum ging, ein Konzept zu entwickeln, die Verbindung von BILD UND TEXT geradezu auf! Inhaltlich wird der Tod nicht als unüberwindlich akzeptiert. Es wird die inhaltliche Spannungsbreite von »Lebensnähe/Todesnähe« erkannt – alle erarbeiteten Werke halten sich innerhalb dieser Spannungsbreite auf.
Für jedes Teammitglied herrscht die größtmögliche Gestaltungsfreiheit. So dass jeder »sein eigenes Ding« realisiert. Oder aber, wie bei Ganahl/Weck, ein unmittelbares Teamspirit resultativ in drei digitalen Kunstfotografien mündet, nämlich »Erhellend in Balkonien«, »Sanfte Landung« und »Spieglein, Spieglein …«. Für diese Werke übernahm ich, Kay Ganahl, die kreative digitale Bearbeitung, versah jedes Bildwerk auch noch mit einem kurzen Prosatext.
Sicher, jedwede Kunst muss wahrhaftig sein, weshalb der konkrete Wahrheitsgehalt, jedenfalls vom Anspruch her, von großer Wichtigkeit ist. Wesentlich kommt es auch auf die Stärke des Ausdrucks an! Das Wie, Wohin und Wozu verlangt nach dem optimalen Weg zur Erreichung von Zielen. Literarisch und künstlerisch. Es gilt, niemals über ein literarisches Werk, einen Schriftsteller – ein Kunstwerk, einen Künstler moralisch oder nach irgendwelchen Qualitätskriterien zu richten. Der individuellen Fantasie und Gestaltungskraft des einzelnen Kreativen ist stets Respekt zu zollen. Im Rahmen der thematischen Vorgabe »Lebensnähe/Todesnähe« werden bei dem Teamprojekt verschiedene Aspekte des Inhalts und der Form berücksichtigt; eben auch eine gewisse Formenvielfalt kommt zur Geltung.
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Die erste Vorleserin zur Mittagsstunde war die besonders im Ruhrgebiet bekannte Halina M. Sega aus Gladbeck. Und mit ihrer expressiven Art des Vorlesens forderte sie sofort die ganze Aufmerksamkeit des Publikums. Sega lässt aus Literatur größtes lebendiges Da-Sein entstehen, vor allem im Bereich der Fantasy und Science-Fiction. Hexen, Engel und Vampire, aber auch die Kriminalität faszinieren sie ungemein. Was sie vorliest, ist in demselben Augenblick gesprochene Realität. Eine Welt ersteht vor dem inneren Auge dessen, der sich auf die Texte voll einlässt! So mancher Zuhörer glaubt vielleicht gar nicht, dass es sich um fiktive Inhalte handelt.
Mit dem »Ein früher Sonntagmorgen, sechs Uhr. Das ist seine Zeit, unterwegs.« begann anschließend Ute Mrozinski aus Monheim am Rhein ihre Geschichte »Der lichtschnelle Radler«, zu dem auch das gleichnamige, in der Galerie nebenan ausgestellte Ölbild gehört. Mit gekonnter Fantasy-Verve entwarf sie das Bild einer drastischen Verwandlung:
Das Bild vor seinen Augen zerplatzt. Grelles Licht überflutet seine Sinne. Um ihn herum huschen die Umrisse von mehreren Gestalten. Ein gleichmäßiges Piepsen foltert seine Ohren. Seine Unterarme brennen wie Feuer. Sein Körper ist ein einziger Schmerz. (Ute Mrozinski, »Der lichtschnelle Radler«, 2016)
Literarische Texte und Bilder können miteinander in direkte Kommunikation treten, was Ganahl mit seinen digital bearbeiteten Fotos wohl gelungen ist, die in der Galerie hängen. Er las allerdings vor dem Publikum im SWANE aus seiner aktuellen Buchveröffentlichung Der Gedankenkasten. Prosaminiaturen vor, in der es das Kapitel »Lebensnähe und/oder Todesnähe« gibt, in welchem er den einen oder anderen Aspekt des menschlichen Mit- und Gegeneinanders in der Gesellschaft der Jetztzeit, der Vergangenheit und der Zukunft beleuchtete ein gutes Stück entfernt von Fantasy und Science-Fiction. Er pickte sich während seines Leseparts spontan die eine oder andere Prosaminiatur heraus.
Des Solinger Liedermachers und Clowns Bernd Möller »zwischengeschaltete« Songbeiträge zum Thema ließen wahrhaftig aufhorchen. Wie immer, wenn er auf der Bühne steht, ist er alles andere als der, der für die Stimmung sorgt, sondern der, der mit seiner einfühlsamen Stimme und entsprechenden Textgestaltungen in den Zuhörer steigt, um ihn an der Gefühls- und Gedankenwelt eines am Humanen und am Positiven orientierten Musikers teilhaben zu lassen. Hier also eher mehr Lebensnähe!
Dagmar Wecks Lesebeitrag zeichnete sich besonders durch eine unverhofft fröhliche, ja leicht ironische Art und Weise des Vorlesens aus, wodurch sogar für etwas Heiterkeit beim Publikum gesorgt wurde. Und dass bei dem gegebenen Thema! Beziehungen der Menschen untereinander sind für sie eines der wichtigsten literarischen Themen. Diese Heiterkeit bei dem Thema mit einer intensiven Spannungsbreite, die der Fantasie alles ermöglichte!
Hingegen trug die Mülheimerin Angelika Stephan mit Ernst aus ihren Büchern Entflammtes Herz und Tote reisen nicht vor. Thematisiert wurden Magersucht und Vorurteile. Auf die Bedeutung von Beziehungen wies sie mit den zwei Gedichten »Menschen« und »Freundschaft« hin.
Kurzum, für einige Abwechslung war gesorgt! Ganahl bat schließlich auf der Bühne darum, dass die Gesellschaft in die Galerie wechseln sollte, denn dort fand die Vernissage statt. Gleich zogen AutorInnen und Gäste auch nach nebenan, wo Bernd Möller erst einmal seinen letzten Song zur Gitarre sang.
Anschließend begann Ganahl mit einer allgemeinen Vorstellung der in der Wintergarten-Galerie ausgestellten Bildwerke. Es herrsche nicht etwa der Tod, sondern das Leben, welches mit dem Tod als einem Ende kommuniziere! Und, klar, das Team hat mit der Wintergarten-Galerie im SWANE genau die richtige Örtlichkeit gefunden, wo das Thema »Lebensnähe/Todesnähe« vielgestaltig Ausdruck finden kann. BILD UND TEXT stehen nebeneinander – selbsterklärend, zum Teil auch jeweils das textliche oder bildliche Gegenüber erklärend. Auf zwei Schautafeln des FDA/NRW kann sich jeder Gast zu dem Teamprojekt informieren. Dieses Projekt ist ein Projekt des FDA/NRW; es ist gegründet worden, um nicht zuletzt aufzuzeigen, was AutorInnen auch als KünstlerInnen schaffen, ohne die Autorenrolle in irgendeiner Hinsicht zu vernachlässigen oder gar aufzugeben.
Alsdann ging Ganahl auf seine eigenen vor Ort ausgestellten Bilder und die angegliederten Textbeiträge ein. Er wartet auch und gerade mit absurden digitalen Foto-Selbstporträts auf. Oder mit seinem »Baum in der Nähe«, einer geteilten Naturwahrnehmung.
Und dann die anderen Mitwirkenden … die Gemälde machen einen wesentlichen Teil der Ausstellung aus. Ganz expressiv hat Angelika Stephan aus Mülheim/Ruhr ihre abstrakten Vorstellungen auf die Leinwand gebracht. Bald wusste sie persönlich mit Engagement und Auskunftsfreude von ihren Werken, einer Reihe von abstrakten Öl- und Acryl-Gemälden, zu erzählen. In sie einzutauchen, ist ein wahres Vergnügen, obwohl sie ernsten Inhalts sind. In ihrer Expressivität ähneln sie ihrer Schöpferin, die gedanklich stark und emotional präsent in ihre Werke geradezu hineinzusteigen scheint, wenn sie über sie spricht.
»Der lichtschnelle Radler«, Ute Mrozinskis Beitrag, beeindruckt eben auch als eine Bildschöpfung. Sie und ihr Gatte erklärten, wie das Werk zu verstehen ist. Die Erklärungen der Künstler sind stets von besonderer Bedeutung, insbesondere wenn sich manche Bilder von der Aussage her nicht jedermann sofort erschließen. Aber in dem direkten Zusammenhang mit der zuvor vorgelesenen Geschichte erhellte sich alles mit einem Mal. Und die hier ausgestellten Fotos Albert Mrozinskis, der als Gast in der Ausstellung vertreten ist, sind hochinteressante Fotoarbeiten.
Den künstlerischen Gegenpart zu den großformatigen Bildwerken Angelika Stephans mit ihrer bunten Expressivität, die die eine Seite der Wintergarten-Galerie ausfüllen, stellen Dagmar Wecks genau gegenüber aufgehängten Colorfotografien dar, die sie während der Vernissage in der ihr eigenen freundlichen Art erläuterte. Rechts von einer Palme angeordnet, spricht besonders das Foto mit dem S-Bahn-Motiv davon, wie Menschen von der zivilisatorischen Errungenschaft der ganz normalen Verkehrstechnik dominiert werden, die wir alle selbstverständlich benutzen. Menschen vereinsamen. Der hohen Sensibilität der Bochumer Autorin und Hobbyfotografin Weck entspricht es durchaus, dann auch noch mit poetischen Texten Gedanken zum Thema »Lebensnähe/Todesnähe« zum Ausdruck zu bringen.
Ein Highlight der Bilderausstellung im SWANE sind Halina M. Segas liebevoll arrangierten kleinformatigen Bildwerke mit Engelsmotiven, die auf Leinwand drapiert wurden. Und in einem Gedicht, betitelt mit »Leben«, vermittelt Sega Lesern/Betrachtern der Wanderausstellung »Lebensnähe/Todesnähe« eindringlich, was für sie das Leben bedeutet. Mit dem, was Sega zu ihren Werken zu sagen hatte, gab sie Hinweise darauf, was diese zu bedeuten haben.
Eine Vernissage, der eine Lesung vorher gegangen ist, kann wirklich ein OPEN END haben, so dass sich jeder, der es will, einfach auch Zeit lässt, mit allem Vorgefundenen in eine intensive, sinnvolle Kommunikation zu treten. Betrachten. Lesen. Reflektieren … sprechen! Schön ist es ja besonders dann, wenn die KünstlerInnen vor Ort die Neigung haben, sich der Meinung und Kritik von Gästen zu stellen. Im offenen Gespräch gab es dies denn auch, als die Veranstaltung sich langsam dem Ende zuneigte. Jeder trat mit jedem ins Gespräch. Das freundliche Miteinander ließ eine Atmosphäre der Offenheit entstehen.
Das Projektteam »Lebensnähe/Todesnähe« und das Team des SWANE freuen sich auf zahlreiche Ausstellungsbesucher.
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Nächste Station der Wanderausstellung ist die Stadtbibliothek Monheim am Rhein ab dem 5. Mai 2018. Näheres wird noch mitgeteilt.
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Photos Büchertisch, Kay Ganahl, Ute Mrozinski © Albert Mrozinski
Photos Schautafeln, Ausstellung (2) © Kay Ganahl
Photo Vernissage-Atmosphäre © Frauke Ganahl
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